Sonn- und Festtage lassen die kirchliche Tracht der Einwohner von Ebersgöns als besonderes Gepräge deutlich werden. Man achtet darauf, daß wenigstens ein Mitglied der Familie am sonntäglichen Gottesdienst teilnimmt . Dies geschieht weniger aus Frömmigkeit des einzelnen, als aus alter, weiterlebender Gewohnheit. Die Tracht der Hüttenberger weist tiefgehende Zusammenhänge mit dem Kirchenleben auf. Wohl muß man auch zugestehen, daß sich die ältesten Trachtenstücke damit am längsten halten, wo sie mit auf das Religiös-Konservative stoßen, wo die Tracht also an kirchliche Feiern gebunden ist. Ist der Gottesdienst vorüber, wird auch der Anzug geändert, er besteht somit nur für die Kirchenfeier.

Das Kennzeichen der Kirchgangstracht ist die schwarze Haube, "Maratzekapp" oder einfach Maratze (Bild ) genannt.

Bild - Maratzen

Das Kernstück bildet bei jeder Haube, die getragen wird, ein weißes Leinenhäubchen, das reich bestickt ist und große Ähnlichkeit mit den Stülpchen der Marburger Tracht hat. Bis um das Jahr 1885 wurde dies ohne jedes Beiwerk noch täglich getragen. An der Innenseite waren zwei schwarze Bindebänder angesteckt, die dann unter dem Kinn zu einer Schleife geknotet wurden. Dies erklärt auch die Tatsache, daß heute noch jedes Unterhäubchen kunstvoll bestickt ist. Die schon anfangs erwähnte Bandhaube ist nichts anderes als die Umhüllung dieser ältesten weißen Haube mit einem glatten oder geblümten Atlasband .

Die Maratze, die eine Weiterentwicklung der Bandhaube ist, zeigt am hinteren Teile eine Verschlingung zu zwei Schleifen, die bis zum Nacken etwas seitlich herabfallen, und die beiden losen Enden reichen bis auf die Schultern. Besteht die Maratze aus glattem Atlasband, so ist es die Trauerhaube oder auch die für alte Frauen .

Beim Aufsetzen der Hauben ist es nötig, daß man den Schnatz möglichst klein und fest herstellt, damit die Haube festsitzt. An "gewöhnlichen" Sonntagen im Jahr ist die Kirchentracht einfach gehalten und zeigt nicht den Prunk wie zu besonderen Anlässen.

Bedingung für den Anzug in die Kirche sind nicht allzu helle Farben mit Schlupp und Schürzenbändern. Um den Hals wird ein Tuch gelegt, das auf dem Rücken gekreuzt wird und mit seinen beiden Zipfeln bis auf die Rockfalten reicht. Eine allgemein gültige Regel außer den erwähnten Bestimmungen gibt es für die sonntägliche Kirchentracht nicht.

Bei den drei Hauptkirchenfesten im Jahr, Ostern, Pfingsten und Weihnachten ist es jedoch anders. Am ersten Feiertag trägt die ganze Gemeinde schwarze Kleider, auch außerhalb der Kirche, weil da der Abendmahlsgang einer Altersstufe ist und man sich ernst und feierlich zeigen muß. Auch darf kein Tanzvergnügen sein. Die jungen Leute blieben früher am Abend daheim und gingen nicht in die Wirtschaft. Anders ist es dagegen am zweiten Feiertag. Jetzt zeigt man in der Kirche den besten Staat in Blau oder Grün; das Violette und Rötliche meidet man jedoch für den Kirchgang.

Das Charakteristische der Abendmahlstracht ist die weiße Ziehhaube, die über das weiße Unterhäubchen gestülpt wird und dessen Rand sich wie ein Regenschirm über den Kopf senkt. Um den Kopf der Haube ist bei jungen Mädchen und Frauen ein weißes breites Spitzentülltuch geschlungen, das hinten am Kopf zu zwei Schleifen gebunden wird, die über den Rücken herunterfallen.

Das weiße Spitzentuch wird um die Schultern gelegt und bedeckt als Dreieck den Rücken. In der Hand wird über dem Gesangbuch das Buchtuch getragen, das mit Spitzen besetzt ist. Motzen, Schürzen und die Bänder sind aus schwarzem Kaschmir. Bei alten Frauen ist die Haube ohne Spitzen und besteht nur aus einfachem Tüll mit schmalen Leinenbändern. Das weiße Tuch um die Schultern ist ein weißes Leinentuch. Aus demselben Stoff besteht auch das Buchtuch. Der Motzen und die Schürze sind bei ihnen aus schwarzem Tuch und die Bänder aus einfarbigem schwarzen Samt. Sie tragen auch die Tuchschuhe aus schwarzem Samt .

Die Abendmahlstracht unterscheidet zwischen Trauer und Nichttrauer. Bei Trauer trägt man außer den schwarzen Samtbändern keine Bänder und einfache glatte Hauben und Tücher. Auch bestehen jetzt, wie bei den Kleidungsstücken der alten Frauen, alle Teile aus Tuch.

Als oberster Grundsatz für die Trauer gilt: schwarze Tracht mit größerer Einfachheit ohne Glanz und Verzierung, langsame, feierliche Bewegung und ernste Mienen. Die jüngst Verstorbenen im Ort zu ehren, ist eine besonders heilige Angelegenheit aller Bewohner. Die letzte Ehre erweist man dem toten Volksgenossen, indem möglichst aus jeder Familie ein Angehöriger mit zur Beerdigung geht. Die Familienmitglieder und die nächsten Verwandten halten eine längere Trauer, die sich in drei Stufen der Kleidung bemerkbar macht: Volltrauer, Halbtrauer und Abtrauer. Bei der Beerdigung legt man die Abendmahlstrauertracht an mit einem schwarzen Tuch ohne Fransen anstatt des Tülltuches. Die Volltrauer erstreckt sich bei einem nahen Verwandten über die ersten eins bis zwei Jahre. Bei einer jungen Ehefrau, deren Mann verstorben ist, findet man jedoch häufig, daß sie bis zu 10 Jahren die Trauerkleidung nicht ablegt, natürlich wenn sie nicht mehr heiratet.

Die Haupttrauer verlangt für Frauen schwarzes geblümtes Samtband als Einfassung und schwarzes Kaschmirtuch, bei jungen Mädchen ist ein dunkelblauer Rock mit schwarzem, geblümtem Samt- oder Seidenband als Einfassung gestattet. Werktags gelten jetzt die Farben Schwarz und Weiß als Trauerfarben. Die Abtrauer ist gekennzeichnet durch dunkle Farben und einfachen Aufputz. Kennzeichen für die Art der Trauer sind auch die Fransen der Tücher. Bei Volltrauer trägt man Tücher ohne jegliche Fransen, bei Halbtrauer solche mit trockenen (aus Tuch bestehend), sonst Seidenfransen. Die Verwandtschaftsgrade kommen in der Trauertracht zur Geltung. Eltern, Geschwister und Kinder der Verstorbenen tragen Volltrauer, Enkel und Geschwisterkinder Halbtrauer und alle übrigen Verwandten und Bekannten schwarzes Tuch und Schürze und meiden farbige Stoffe und Bänder. Genau in derselben Reihenfolge gehen die Verwandten hinter dem Sarg. Bemerkenswert ist auch, daß man während der Volltrauer keinerlei Vergnügungen besucht, keine Besuche macht und streng für sich bleibt.

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