Obwohl man in der Volkstracht den schaffenden Bauern am reinsten verkörpert zu sehen glaubt, so erklären doch Volkskundler, daß sie gesunkenes Kulturgut und die vereinfachte Kleidung der höheren Stände sei. Einzelne Stücke mögen wohl von den Höfen übernommen und dann umgebildet worden sein, aber andererseits finden sich heute doch noch Elemente bei der Volkstracht, die in der Frühgeschichte ihre Vorbilder haben, und bei denen man von keinem Abklatsch städtischer Mode sprechen kann.

In Einzelteilen, die man übernommen hat, macht das Kleidungsstück Veränderungen durch, die durch die Bedürfnisse der bäuerlichen Gemeinschaft notwendig sind. Man kann da nicht von einer erstarrten Modekleidung sprechen, denn die Umstilisierung nach dem Willen der Gemeinschaft bedingt ein stetes Sich ändern. Auch sind die einzelnen Stücke zu ganz verschiedenen Zeiten bei der Hüttenberger Tracht aufgenommen worden. Nach den Ausführungen von Luh ist so der Sonntagsschuh erstmalig zu Beginn des 19. Jahrhunderts getragen worden, die Ziehhaube aber schon um 1600.

Die Tracht ist von den wirtschaftlichen und geistigen Geschehen abhängig und geht mit ihren Änderungen Hand in Hand. Volkstracht entsteht und lebt nur da, wo Erzeuger und Träger dieselbe Person sind und wo ein Volksteil von den großen Weltbegebenheiten mehr oder weniger unberührt bleibt. Wo ein festverwurzelter Bauernstand lebt, da hält sie sich am längsten, denn sind nicht Erscheinungen wie: Anpassung des Gewandes an Witterung und Arbeit, genau befolgte Kleiderordnungen und das Streben, sich von anderen Gemeinschaften zu unterscheiden, echt bäuerlichen Charakters?

Sehr deutlich kommt in einer Trachtengegend zum Vorschein, daß die Kleidung gemeinschaftsbindend wirkt. Uniform und Tracht haben eine ähnliche Wirkung auf den Menschen, obwohl erstere im einzelnen festgelegt wird und letztere individuell und zeitlich veränderlich ist (vor allem bei Frauen). Die Tracht kommt aus dem einheitlichen Volkstum, und die Regel läßt die Sitte zum Gesetz werden. Die Männertracht ist starrer und fester und verändert sich mehr ruckweise, so z.B. durch politische Ereignisse. Die Änderung bei der Uniform kommt von außen, bei der Tracht kommt sie aus den Tiefen der Volksseele. Setzt sich jemand über die Sitte hinweg, so wird er verachtet, verspottet und schließlich aus der Gemeinschaft ausgestoßen.


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